Selahattin Demirtaş-jamal
Ich traf ihn an einer Mülltonne; er war schüchtern und ängstlich. Man sah ihm an, dass er hungrig war, doch er war unentschlossen, ob er im Müll wühlen sollte oder nicht. … Seine tiefschwarzen Augen hatten ihren Glanz verloren, seine Schultern hingen herab, seine Lippen waren aufgesprungen. Ich reichte ihm das erste Stück Essen, das ich im Müll fand; er zögerte, seine Augen füllten sich mit Tränen, seine Kehle war wie zugeschnürt. … Er versuchte, das Maisbrot, das ich ihm gab, beim Hineinbeißen nicht zu verletzen; er wusste offensichtlich, wie wertvoll „Nan“ ist, er war nicht „undankbar“. Ich gab ihm noch ein paar Stücke Essen in die Hand; er lächelte zum ersten Mal, seine weißen Zähne strahlten sein Gesicht. Wir konnten zwar nicht die Sprache des anderen sprechen, aber es war nicht schwer, in der universellen Sprache der Freundlichkeit zu kommunizieren.“
Die Straße ist die letzte Zuflucht derer, die gefallen sind, derer, die ins Exil geschickt wurden, derer, die obdachlos wurden, derer, in deren Inneren plötzlich etwas zerbrochen ist, derer, die von den Zahnrädern eines unbarmherzigen Rades in Stücke gerissen wurden. Dort wird auch das Glück des Menschseins/-bleibens, der Solidarität, des Teilens einer Scheibe Brotes erfahren; und der Schmerz des Verlassenwerdens, des Kopfüber-Auf-den-Boden-Schlagens. Wir erleben sowohl die besten als auch die schlechtesten Seiten der Menschen. Doch das Wichtigste ist nicht, auf die „Stimme“ der Straße zu hören, sondern selbst diese „Stimme“ zu sein.
Denn die Straße ist Freiheit, die Freiheit liegt auf der Straße